Eine systemische Ursache für die schlechte Verwaltung von Wohnungseigentum liegt meiner Meinung nach in der Natur der “Dienstleistung” begründet. Viele Menschen können instinktiv zwar grundsätzlich zwischen Gütern und Dienstleistungen unterscheiden, aber für den Begriff der Dienstleistung gibt es keine allgemein gültige Definition; es gibt zudem viele unterschiedliche Arten von Dienstleistungen, die auf unterschiedliche Weise kategorisiert werden können.1
Wenn in einem Vertrag zwischen einer Hausverwaltung und einer Eigentümergemeinschaft die zu erbringenden Dienstleistungen nicht exakt definiert werden, ist so eine vertragliche Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da die Vertragsparteien unterschiedliche Erwartungen an diese vertragliche Beziehung haben. Man darf auch nicht vergessen, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer einer Eigentümergemeinschaft in den meisten Fällen zudem unterschiedliche Ansichten darüber haben, was eine “gute” oder “schlechte” Dienstleistung ausmacht.
Werfen wir also erst einmal einen genaueren Blick auf den Begriff der Dienstleistung:
Es gibt Dienstleistungen, die nicht individualisiert werden müssen und bei denen es keine Interaktion, d. h. keine Mitarbeit mit den Kunden bei der Erbringung der Dienstleistung gibt. Beispiele dafür wären die Dienstleistungen von Polizei oder Feuerwehr. Wir alle finanzieren mit unseren Steuern die Erbringung dieser Dienstleistungen, aber einzelne Bürgerinnen und Bürger verhandeln nicht mit Polizei oder Feuerwehr, wie die zu erbringende Dienstleistung im Detail ausschauen soll. Die Polizei verhindert Verbrechen und klärt sie auf; wenn es brennt, löscht die Feuerwehr den Brand. Niemand von uns hat mehr oder weniger Anspruch als sein Nachbar auf Umfang oder Qualität dieser Dienstleistungen.
Am anderen Ende des Spektrums stehen Dienstleistungen mit einem hohen Individualisierungsgrad und einem hohen Grad an Interaktion. Solche Dienstleistungen können nur dann erbracht werden, wenn die Kunden an der Erarbeitung der Definition und an der Erbringung der Dienstleistung mitarbeiten.
Die Dienstleistung der “Hausverwaltung” befindet sich an diesem Ende des Spektrums. Der Gesetzgeber macht relativ wenige Vorschriften, wie die Dienstleistung der “Hausverwaltung” auszusehen hat. Der weitaus größte Teil der Tätigkeiten muß zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt werden. Eigentümergemeinschaften müssen also die Tätigkeiten genau auflisten, die erbracht werden sollen (= hoher Interaktionsgrad), und sich vorher darüber einigen, wie die Tätigkeiten definiert werden sollen (= hoher Individualisierungsgrad).
Wenn das nicht gemacht wird, können Hausverwaltung in der Regel nach Lust und Laune handeln, und ihr Handeln wird nur durch gesetzlichen Minimal-Vorgschriften geregelt.
Wenn Eigentümergemeinschaften bzw. einzelne Eigentümerinnen und Eigentümer sich darüber beschweren, dass ihre Hausverwaltung “schlecht” arbeitet, sind in vielen Fällen die Eigentümerinnen und Eigentümer also selbst daran Schuld: Denn sie haben sich vor dem Vertragsabschluß nicht darum gekümmert, ihrer Hausverwaltung exakte, rechtlich verbindliche Vorgaben zu machen. In vielen Fällen haben sich Eigentümergemeinschaften nicht einmal – durch Abstimmungen – darüber geeinigt, was sie eigentlich wollen.
Fazit: Wir Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer sind in vieler Hinsicht selbst daran Schuld, wenn Hausverwaltungen schlechte Arbeit leisten. Die Dienstleistung “Hausverwaltung” erfordert einen hohen Grad an Interaktion zwischen der Hausverwaltung und den Eigentümerinnen und Eigentümern und einen hohen Grad an Individualisierung. (Ich denke mir, dass in vielen Fällen eine intensive Interaktion zwischen Eigentümergemeinschaften und Hausverwaltungen sowie strikte Vorgaben durch die Eigentümergemeinschaft von vielen Hausverwaltungen wahrscheinlich gar nicht erwünscht sind – aber das ist ein ganz anderes Thema, dem ich mich in zukünftigen Artikeln widmen werde.)
Wenn Eigentümergemeinschaften sich nicht laufend um ihre Agenden kümmern und wir glauben, dass wir alle Verantwortung für unsere Liegenschaften auf unsere Hausverwaltungen überwälzen können, dürfen wir uns nicht wundern, wenn unsere Liegenschaftenen schlecht verwaltet werden.
Wir müssen uns viel mehr einmischen, und unseren Hausverwaltungen viel mehr und vor allem explizite, rechtlich verbindliche Vorgaben für ihr Handeln machen. Kurz und gut: Wir müssen unsere Hausverwaltungen an die Kandare nehmen und ihre Handlungsfreiheiten einschränken.
Das kann und muß bereits vor dem Abschluß von Verträgen erfolgen, indem die Vertragstexte von den Eigentümergemeinschaften – und nicht von den Hausverwaltungen ! – ausgearbeitet und formuliert werden, aber auch laufend während des Jahres, indem die Eigentümergemeinschaften über diverse Agenden abstimmen.
In den meisten Fällen – so auch in meiner eigenen Liegenschaft – wird allerdings nur selten und über viel zu wenige Dinge abgestimmt. Ich beabsichtige deshalb in meiner eigenen Liegenschaft, wo ich 0,74% der Liegenschaftsanteile besitze, in den nächsten Monaten selbst eine Abstimmung zu organisieren und meine Miteigentümerinnen und Miteigentümer über verschiedene Aspekte der Dienstleistung “Hausverwaltung” abstimmen zu lassen. Über diese Erfahrungen werde ich in zukünftigen Artikeln ausführlicher berichten.
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Fußnote 1: Vgl. z. B. Bruhn, M., Meffert, H. & Hadwich, K. (2019). Handbuch Dienstleistungsmarketing. Planung – Umsetzung – Kontrolle (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 23-45.